Gastbeitrag: Authentizität als Treiber für Umsatz und Loyalität
Neueste Studien belegen, dass die Kunden öfter bei Handelsunternehmen einkaufen und mehr Geld bei jenen ausgeben, die sie als authentisch erleben. Aber was bedeutet das eigentlich? Wie können Handelsunternehmen ihre Authentizität über das gesamte Einkaufserlebnis hinweg unter Beweis stellen? Renaud Marlière, Global Chief of Business Development bei Asendia, hat Antworten.
Schon 2018 war Authentizität ein wichtiges Thema auf der Big Show der National Retail Federation in New York – es ist also über vier Jahre her, dass Handelsunternehmen und ihre Vertriebslinien dazu ermutigt wurden, in ihren Kundenbeziehungen authentischer aufzutreten. Nicht jeder weiß aber, was der Begriff genau bedeutet, obwohl er doch mittlerweile zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört.
Authentizität beschreibt die Wahrnehmung einer Marke durch den Käufer und bildet das Fundament einer vertrauensvollen Kundenbeziehung. Die wichtigste Frage hierbei ist, ob die Marken des Handels sich selbst, ihren Kunden und der Welt gegenüber treu und ehrlich sind. Das Vertrauen geht verloren, wenn die Marke den Eindruck erweckt, etwas vorzugeben, was sie nicht ist. Die meisten Vertriebslinien des Handels sind sich mehr oder weniger bewusst, dass Ehrlichkeit in Bezug auf den Kunden und das Marktumfeld enorm wichtig ist. Authentizität sollte aber alle Aspekte im Umgang mit dem Kunden bestimmen – vom reinen Stöbern über den Kauf bis hin zur Rücksendung. Das umfasst Marketing, Auftragsverwaltung, Lieferung und die damit verbundene Kommunikation.
Kunden honorieren Authentizität
Hierbei etwas falsch zu machen – ob echt oder nur gefühlt – kann einen großen negativen Einfluss auf Umsätze und Folgeaufträge haben, was gerade für diejenigen Unternehmen besorgniserregend ist, welche die Bedeutung von Loyalität erkannt haben. Schätzungen zufolge kostet die Gewinnung von Neukunden fünfmal so viel wie die Bindung eines Bestandskunden; Authentizität ist also kommerziell gesehen absolut notwendig – vor allem auch angesichts der Tatsache, dass die Verbraucher dazu bereit sind, einen Aufpreis für Waren von Unternehmen zu bezahlen, die sie als authentisch empfinden.
Was die Kunden in einer authentischen Markenbeziehung erwarten? Die Einhaltung von Lieferversprechen, transparente Lieferketten, der sichtbare Einsatz für mehr Nachhaltigkeit sowie die faire Behandlung von Lieferanten.
In einer neuen Studie, für die mehr als 8.000 Kunden des Handels in den USA, Großbritannien, Kanada, Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Hongkong und Spanien befragt wurden, konnte Asendia einige interessante Erkenntnisse in Bezug auf Authentizität und ihren Einfluss auf verschiedene Aspekte des Verbraucherverhaltens gewinnen.
Große regionale Unterschiede
Die Studie zeigt: Authentizität ist enorm wichtig. 73 Prozent der Befragten gaben an, dass sie loyaler gegenüber Einzelhandels-Unternehmen und ihren Vertriebslinien sind, die sie als authentisch wahrnehmen. Es gibt allerdings regionale Unterschiede: In Hongkong lag der Wert mit 83 Prozent am höchsten, in der Schweiz mit 62 Prozent am niedrigsten.
Beim Thema Geld gaben 66 Prozent an, dass sie bei Unternehmen und Vertriebslinen des Handels, die sie als authentisch wahrnehmen, mehr ausgeben würden. In Hongkong waren es sogar 80 Prozent, in der Schweiz jedoch nur 52 Prozent.
Daraus leitet sich unter anderem ab, wo die Shopper einkaufen. 59 Prozent gaben an, dass sie ausschließlich bei Unternehmen und Vertriebslinen des Handels einkaufen, die sie als authentisch empfinden. In Hongkong waren es 75 Prozent, in der Schweiz nur 52 Prozent. Zudem würden die Verbraucher seltener bei Händlern einkaufen, sollten diese nicht authentisch sein. In Großbritannien beispielsweise trifft dies auf drei Viertel (75 Prozent) der Befragten zu.
Social Media beeinflusst Markenerfahrung
Generell lässt sich sagen, dass Authentizität vor allem für ältere Generationen wichtiger ist. Jüngere Zielgruppen glauben allerdings, dass Direct To Consumer (DTC) Brands online eine authentischere Markenerfahrung bieten. Ein Engagement mit der Marke ist für sie daher wahrscheinlicher – auch, weil sie einfach mehr Kanäle nutzen, darunter vor allem Social Media.
Die Verbraucher wurden anschließend gefragt, welche Maßnahmen Händler ihrer Meinung nach ergreifen müssten, um authentischer zu werden; daraus lassen sich wiederum Strategien zur Kundengewinnung und -bindung ableiten. Wichtigste Erkenntnis war, dass Unternehmen ihre Versprechen gegenüber den Kunden einhalten sollten (58 Prozent). Dagegen waren nur 25 Prozent der Meinung, dass Marken kein Greenwashing betreiben sollten – obwohl dieses Thema in letzter Zeit häufiger in den Schlagzeilen zu finden war.
Auf der Suche nach Vorbildern für Authentizität müssen Brands nicht lange suchen: Ikea wird mit durchschnittlich 41 Prozent in vielen Ländern als authentischste Marke angesehen; auf Platz 2 global gesehen liegt Amazon.
Herausforderungen beim grenzüberschreitenden Versand
Die Shopper orientieren sich allerdings nicht nur daran, wie authentisch ein Händler wirkt; sie erwarten trotzdem noch guten Service – sei es beim Versand, der Auswahl an Qualitätsprodukten, beim Preis-Leistungs-Verhältnis oder bei der Frage, wie persönlich die Kommunikation und der Service eines Handelsunternehmens ausfallen. In unserer Studie lag hier Amazon mit 69 Prozent in den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien vorne. In der Schweiz gewann Ikea (40 Prozent), in Hongkong Apple (42 Prozent).
Bei der Frage nach den Vorlieben für den grenzüberschreitenden Versand sind Fulfillment und Authentizität eng miteinander verknüpft. Wichtig waren den Verbrauchern hier vor allem zwei Dinge: nachvollziehen zu können, woher das Paket kommt, damit sie die Kosten und die Distanz abschätzen können, die es zurücklegen muss, um sie zu erreichen (33 Prozent), sowie dass die bevorzugten Retourenoptionen (papierlos, Paketbox, Abholung, Postfiliale, Paketshop) angeboten werden (32 Prozent). Darüber hinaus gaben die Befragten aber auch Sammellieferungen (die Produkte werden konsolidiert statt in vielen Einzellieferungen geschickt, es entsteht weniger Verpackungsmüll – 32 Prozent), emissionsfreie Lieferung (Fahrradkurier oder autonome Lieferung – 13 Prozent) und die Zustellung mit einem E-Auto (11 Prozent) an.
Wunschliste der Shopper im kommenden Jahr
Für das kommende Jahr stehen Fragen der Nachhaltigkeit noch weiter oben auf der Prioritätenliste. 40 Prozent wünschten sich Lieferungen mit einer wiederverwendbaren Verpackung, 30 Prozent wiederum hätten gerne komplett CO2-neutrale Lieferungen.
Jedes Unternehmen hat seine eigene Identität und jedes Unternehmen muss unterschiedlich viele Schritte unternehmen, um in seiner Gesamtheit authentischer zu werden – hier können sich naturgemäß nicht alle Händler auf dem gleichen Level befinden. Klar ist aber auch, dass die Kunden in jedem Aspekt ihrer Markenbeziehung hohen Wert auf Authentizität legen. Daher sollten Marken des Handels dies bei der Entwicklung neuer Produkte und Services, ihrer Präsenz auf verschiedenen Kanälen sowie bei der Erschließung neuer Märkte besonders berücksichtigen.
“Onlineshopper haben 2023 ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie die Welt funktionieren soll. Sie möchten ökologisch verantwortungsvoll handeln und erwarten, dass auch ihre Lieblingsmarken umweltbewusst sind. Dennoch sollen ihre Bestellungen natürlich schnell und zum bestmöglichen Preis geliefert werden, ganz abgesehen von kostenlosen und bequemen Retouren. Die Zukunft des E-Commerce wird dadurch bestimmt, wie der Handel mit diesem Widerspruch umgehen.” Renaud Marlière, Global Chief Business Development, Asendia