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Trotz ungelöster Probleme eröffnet Rewe weitere Pick&Go-Märkte

Rewe Markt, die Supermarkt-Sparte der Rewe Group in Deutschland, hat angekündigt, in den kommenden Monaten drei weitere Stores mit Pick&Go Technologie auszurüsten: in Düsseldorf sowie in Hamburg. Bereits heute betreibt Rewe solche Stores mit der Technologie von Trigo in Berlin, Köln und München. Einer der nun im Frühjahr hinzukommenden Märkte soll mit einer Fläche von rund 1.200 Quadratmetern der dann größte Scanless-Store der Rewe Group werden.

Rewe erklärt korrekt, dass es sich unverändert um Tests handelt. Was Rewe nicht offen kommuniziert, ist, dass de facto viele Fragen rund um die Praxistauglichkeit der Scanless-Technologie ungelöst sind. Nach wie vor ist es mit den eingesetzten Lösungen nicht möglich, digitale Warenkörbe in Echtzeit zu erstellen. Doch selbst nach Verlassen der Stores dauert es manchmal eine geraume Zeit, bis der Kunde seinen Bon digital erhält und der zu zahlende Betrag von seinem Konto abgebucht wird.

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Der Grund dafür wird von den Anbietern, aber auch den Anwendern der Technologie in der Regel verschwiegen – und ist den meisten Kennern der Branche dennoch bekannt: Die Kombination aus Vision Recognition Technologie, die mit den Bildern einer Unmenge von an der Decke installierten Kameras arbeitet und Gewichtssensoren in jedem Regalbrett, erkennt nicht immer vollständig, welche Waren die Kunden am Ende wirklich genommen, und nicht wieder zurückgestellt haben. So ist die Technologie zum Beispiel bei Gruppen-Einkäufen wie jenen mit der ganzen Familie auf einen Bon, welche Rewe erlaubt, immer mal wieder überfordert.

Menschen an Monitoren entscheiden über Zweifelsfälle

Kann die Software nicht eindeutig erkennen, was letztlich zum zu bezahlenden Warenkorb gehört und was nicht, entscheiden Menschen über die Zweifelsfälle anhand von Videosequenzen, die sie an Monitoren gezeigt bekommen. Dass es oft nicht ohne manuelle Intervention geht, hat der CEO einer der Anbieter einer solchen Scanless-Technologie im Gespräch mit dem Retail Optimiser explizit bestätigt. Genannt werden möchte er aber in diesem Kontext auch nicht. So berichtet er, dessen Unternehmen namhafte Anwender im europäischen Lebensmittel-Einzelhandel hat: „Es gibt Nachprüfungen durch Menschen beim Betrieb jeder dieser Stores – unabhängig vom Technologie-Anbieter. Die Frage ist nur, wie häufig muss diese zum Einsatz kommen und bekomme ich den Bon nach einer Stunde oder nach 10 Sekunden.“

Der Technologie-Anbieter Trigo, auf den Rewe in Deutschland ebenso setzt wie Aldi Nord in den Niederlanden und Tesco in UK, schafft es inzwischen, den digitalen Warenkorb zumindest so schnell zu erstellen, dass der Nutzer der Technologie noch im Store an einem Payment-Terminal mit Karte bezahlen kann statt nur innerhalb der App. Aldi Nord gehört mit seinem Teststore im niederländischen Utrecht ebenso wie Auchan in Polen zu den ersten Trigo-Anwendern, die das umgesetzt haben. Der Retail Optimiser berichtete.

Bons stimmen nicht immer

Was nach wie vor zu viel Unsicherheit beim Einkauf mit Scanless-Technologien führt, ist, dass der in der App erstellte Bon nicht immer korrekt ist. Handelsunternehmen, welche Scanless-Technologien testen, reagieren auf diese Herausforderung derzeit mit größtmöglicher Kulanz: Reklamationen des Kunden werden stets akzeptiert und das Geld sofort zurück gebucht. Dies setzt jedoch ehrliche Kunden voraus und bildet damit nicht die harte Realität ab, in welcher der Einzelhandel wirtschaften muss.

Eine weitere Herausforderung, an welcher der Handel mit verschiedenen Technologiedienstleistern derzeit tüftelt, ist der Verkauf von unverpacktem Obst und Gemüse. Zwar gibt es erste Ansätze, mit den Scanless-Technologien auch Gewichtsware mit geeichten Waagen zu verkaufen – bei den derzeitigen Pick&Go-Stores gibt es diese aber noch nicht. Obst und Gemüse kann dort nur nach Stückzahlen berechnet werden: Ein für den europäischen Lebensmittel-Handel völlig unübliches und dauerhaft nicht akzeptables Verfahren.

Diebstahl-Gefahr in hybrid betriebenen Märkten

Weitere ungelöste Herausforderungen entstehen bei den als hybriden Stores betriebenen Märkten, in denen die Anwenderunternehmen ihren Kunden sowohl die Nutzung der Scanless-Technologie als auch den traditionellen Einkauf mit Bezahlen an bemannten Kassen oder Self-Checkouts erlauben. Die Rewe Group betreibt solche Stores bereits in Berlin und in Köln. Netto, der Discounter ihres Wettbewerbers Edeka Gruppe, betreibt einen solchen hybriden Store mit der gleichen Technologie in München.

Bei diesen Märken gibt es zwei Eingangs-Gates. Der Kunde entscheidet, ob er an herkömmlichen Kassen bezahlen oder mit der Scanless-Technologie einkaufen möchte, indem er sich für eines der beiden Durchgangs-Gates entscheidet. Besucher dieser Märkte, die sich gegen die Nutzung des Scanless-Verfahrens entscheiden, müssen ehrlich genug sein, auch wirklich zu einer Kasse zu gehen und dort zu bezahlen. Für den betrugssicheren Einsatz sind diese hybriden Märkte also Stand heute noch nicht fit. Zwar könnte der Betreiber auch jene Kunden tracken, welche sich gegen die Nutzung der Scanless-Technologie entschieden haben, und die Produkte in einem Einkaufswagen oder Korb des Handelsunternehmens sammeln sollten, um sie an einer herkömmlichen Kasse zu zahlen. Allerdings haben diese Kunden ja nicht den ausführlichen Nutzungsbedingungen in der App des Scanless-Verfahrens zugestimmt, was das lückenlose Tracken der Menschen durch die Technologie rechtswidrig machen dürfte.

Alle Anbieter stehen vor großen Herausforderungen

Vor all diesen Herausforderungen stehen aber nicht allein die Anwender der Technologie von Trigo, auf welche die Rewe Group in Deutschland, Aldi Nord in einem Store im niederländischen Utrecht, Tesco in Großbritannien und Auchan in Polen setzen. Auch Stores, die mit den Wettbewerbs-Technologien von Amazon Just-Walk-Out, AiFi, Pixevia, Cloudpick oder Zippin ausgerüstet sind, stehen vor ähnlichen Herausforderungen.  

Trotz der vielen ungelösten Herausforderungen verbreitet die Rewe Group uneingeschränkt weiter Optimismus und Pioniergeist in Sachen scanless Stores: „Wir sehen aus dem bisherigen Testverlauf, dass Pick&Go sehr gut angenommen wird. Die Nutzungs- und Erkennungsraten liegen anhaltend auf einem sehr hohen Niveau. Wir sehen das als gute Ausgangsbasis, weitere Märkte zu planen und in den deutschlandweiten Test aufzunehmen”, wird Jana Sanktjohanser, Projektleiterin Rewe Pick&Go in der Pressemitteilung ihres Unternehmens diese Woche zitiert.

 

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Björn Weber

Björn Weber ist seit über 20 Jahren als Journalist, Analyst und Berater auf den Einzelhandel und die Konsumgüterindustrie spezialisiert. Bevor er die Agentur Fourspot gründete, bei der The Retail Optimiser erscheint, leitete er die internationale Analysten-Gruppe LZ Retailytics. Zuvor war er Research Director Retail Technology und Deutschlandchef von Planet Retail. Björn Weber war davor acht Jahre lang Redakteur für IT & Logistik-Themen der Lebensmittel Zeitung. Björn Weber ist Mitglied der Jury des Retail Technology Awards (Reta Europe) des EHIs. Er ist regelmäßiger Sprecher auf Veranstaltungen des EHIs, der NRF, der Branchenmedien sowie des Consumer Goods Forums.

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