Wenn Amazon kommt, hilft ein Blick nach Frankreich
Ein Report von Björn Weber und Gildas Aïtamer
Ob er will oder nicht: Auch der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel kommt nicht um den Online-Handel herum. Denn Amazon lässt doch nicht locker, und startet erneut einen Vorstoß, Anbieter eines Supermarkt-Sortimentes zu werden. Für die Edeka-, Rewe- und Schwarz-Gruppe lohnt sich jetzt ein Blick nach Frankreich. Durch innovative Konzepte und Investitionen in Technologie sichern Unternehmen wie die Groupe Casino und auch E.Leclerc selbstbewusst Marktanteile gegen Amazon ab.
Auch wenn in der Ausnahmesituation von März und April dieses Jahres die wenigen Lebensmittel Lieferdienste in Deutschland hoffnungslos überlastet waren: Der Online-Handel mit Lebensmitteln ist immer noch ein sehr zartes Pflänzchen in Deutschland und es gibt wohl niemand, der ihn profitabel betreibt.
Die im Bereich E-Food gut informierten Berater von Oliver Wyman schätzen, dass sich der Online-Anteil am Lebensmittel-Handel in Deutschland zwar durch den Push des Lockdowns in diesem Jahr auch dauerhaft verdoppeln wird – allerdings auf extrem niedrigen Niveau: Von gut einem Prozent im vergangenen Jahr auf gut zwei in diesem.
Amazon hält den Handel in Atem
Und plötzlich ist sie wieder da: Die Angst vor Amazon. Dem Händler, der bereits 30 Prozent des Non-Food-Online-Handels in Deutschland beherrscht. Lange dachten die Entscheider der deutschen Lebensmittel-Handelsunternehmen, dass der weltgrößte Online-Händler das mit den Lebensmitteln doch nicht hinbekommt und zumindest in Europa erstmal wieder aufgegeben hat. Und tatsächlich sah es so aus, als sei das Food-Geschäft von Amazon in Deutschland gescheitert.
Die Expansionspläne von Amazon Fresh lagen ebenso auf Eis wie die von Prime Now. Was viele dabei übersehen haben: Amazon musste erstmal sein Uber-ähnliches Crowd-Zustellungs-System Amazon Flex in Deutschland ausbauen. Offiziell zwar bereits im November 2017 gestartet, brauchte Amazon jedoch einige Zeit, um es zumindest in Berlin und München zum Laufen zu bringen. Die Arbeit mit dem Vorgänger Amazon Logistics hatte nicht funktioniert, da dies auf Firmen angemeldeter Subunternehmer setzte, die es einfach nicht in hinreichender Qualität und Anzahl gab in Deutschland.
Nun ist das Crowd-Logistik-System Amazon Flex richtig angekommen in Deutschland. Und schon wird der weltgrößte Online-Händler wieder aktiv in der Lebensmittel-Zustellung: Seit dem 11. August liefert er Prime-Mitgliedern in der südhessischen Region um Darmstadt bis in Teile Frankfurts hinein Bestellungen aus dem Tegut Sortiment innerhalb von wenigen Stunden. Es ist die erste Expansion von Amazon Prime Now in Deutschland seit langem. Zuvor stagnierte der Service in seinen ursprünglichen Liefergebieten Berlin und München.
Prime Now liefert aus Tegut Markt
Die Bestellungen kommissionieren Mitarbeiter des Tegut-Markets im hessischen Weiterstadt in ihrem Markt und übergeben sie dann an Crowd-Worker, die sich den Auftrag über Amazon Flex sichern und mit ihrem privaten Fahrzeug, oft einem PKW, zustellen. Das Sortiment aus Hersteller-Marken, Frische, Tegut Eigenmarken, aus dem die Kunden auf der Prime Now App oder Website wählen können, beschränkt sich derzeit noch auf rund 6.000 Tegut-Produkte, soll aber bis Ende des Jahre auf 10.000 ausgeweitet werden.
Prime Now liefert von Montag bis Samstag zwischen 10 und 22 Uhr. Ab einem Bestellwert von 50 Euro ist die Lieferung kostenlos. Es können zudem kleinere Bestellungen ab 20 Euro getätigt werden, für die eine Liefergebühr von 3,99 Euro anfällt.
Die Gebühren weichen von dem ab, was Amazon Prime Now bisher in Deutschland für Lebensmittel-Lieferungen samt gekühlter Ware verlangt. In Berlin und München verlangt der Online-Primus für die Lieferung ohne Gebühr entweder zusätzlich zu der Prime-Mitgliedschaft eine Amazon Fresh-Mitgliedschaft für 7,99 pro Monat oder einen Bestellwert von mindestens 100 Euro. Wie Warenlieferanten dem Retail Optimiser berichten, sieht es jedoch so aus, dass Amazon Fresh in Deutschland komplett hinter seinen Erwartungen zurückliegt und auch unternehmensintern als großes Problem gesehen wird. Lediglich während des Lockdowns war die Nachfrage richtig groß und brachte den Service an seine Grenzen.
Der neue Vorstoß von Amazon erschreckt die Entscheider bei Edeka, Rewe aber auch der Schwarz Gruppe. Ihnen war zwar nicht entgangen, dass der regionale hessische Händler Tegut schon seit längerem ein respektables Trockensortiment samt seiner Eigenmarken an Amazon für den Paketversand liefert. Und schon bevor Tegut damit indirekt bundesweit tätig wurde, belieferte ein anderer nur regional vertretener Händler den Online-Giganten mit Lebensmitteln: Bünting. Doch als richtig gefährlich hat man in den Chefetagen den Paketversand eines Trockensortiments nicht empfunden, auch wenn dieser Umsätze bei bestimmten Warengruppen erodieren lässt.
Kurze Lieferzeit bringt Branche ins Schwitzen
Die Belieferung innerhalb von Stunden mit Waren aus dem gesamten Supermarkt-Sortiment sind dagegen eine echte Herausforderung für die gesamte Branche. Obwohl die Rewe Group ja mit Blick auf die Gefahr, die von Amazon ausgeht, alles andere als untätig war, und hat einen respektablen Lieferservice aufgebaut.
Lieferung für die Redaktion
Das Retail Optimiser Team gehörte am 11. Oktober zu den ersten Kunden von Prime Now in Hessen. Kurz vor 17:00 Uhr bestellten wir und bekam ein Zeitfenster von 20:00 bis 22:00 für die Lieferung zugewiesen. Kurz vor 20:00 standen freundliche Amazon Flex Fahrer mit Papiertüten vor der Tür.
Nachrichten auf unserem Smartphone dokumentierten transparent den Fortschritt der Bestellung und den Standort der Lieferung. Auch werden wir auf dem Laufenden gehalten, dass eines der Produkte nicht lieferbar ist. Problemlos können wir es durch eine vorgeschlagene Alternative ersetzen.
Die kühl- und tiefkühl-pflichtigen Lebensmittel sind separat verpackt, werden in Kühlboxen mit haushaltsüblichen Kühlakkus transportiert und kommen selbst bei den hochsommerlichen Außen-Temperaturen eiskalt bei uns an. Obst und Gemüse sind einzeln in Plastik verpackt, was überhaupt nicht zu Tegut mit seinem ökologischen Image passt.
Die Rewe Group ist mit ihrem Lieferservice in 75 Städten der Online-Food-Händler, der am meisten Deutsche erreicht. Ob es jedoch 65 Prozent der deutschen Haushalte sind, wie Rewe behauptet, darf bezweifelt werden. Den aktuellen Umsatz weist die Rewe Group nicht aus, er dürfte aber 2019 nach Schätzungen des Retail Optimisers bei bescheidenen 230 Millionen Euro gelegen haben. Bescheiden, aber dennoch fast doppelt so viel wie Amazon Fresh in Großbritannien und Deutschland zusammen umgesetzt haben dürfte.
In Berlin, München, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Mannheim bietet Rewe Kunden sogar die Belieferung am selben Tag an. Allerdings nur, wenn die Bestellung bis 13 Uhr eingegangen ist und ein Lieferzeitraum ab 17 Uhr des selben Tages frei ist – was in Zeiten des Lockdowns praktisch nie der Fall war.
Plattform auch für selbstständige Kaufleute
Auf die erhebliche Kritik der selbstständigen Rewe-Kaufleute, dass der zentral gesteuerte Lieferservice quasi am Umsatz ihrer Märkte herumfährt, hat die Rewe Group reagiert: Seit Frühjahr 2019 dürfen auch die selbstständigen Rewe-Kaufleute die Online-Plattform nutzen, um ihren eigenen Lieferservice anzubieten. Und dies wurde in der Rewe Gruppe tatsächlich angenommen: mehr als 250 Rewe-Kaufleuten machen mit.
So wie die Rewe Group hat auch zuvor der Edeka Verbund seinen Kaufleuten mit Olivia eine zentrale Online-Plattform zur Verfügung gestellt, der den Selbstständigen komplett die Pflege von Online-Shop-Lösung und vor allem Produkt-Stammdaten, Bilder und Beschreibungen abnimmt.
Abmahnungen wegen unzureichender Produktdaten
In der Edeka-Gruppe hatten zuvor selbstständige Kaufleute versucht, aus eigener Kraft Online-Shops zu bauen. Sie mussten ihren Lieferservice schmerzhaft wieder aufgeben wegen den Aktivitäten von Abmahn-Vereinen, welche Lücken in der nach LMIV gesetzlich geforderten Produktbeschreibung fanden.
Anders als bei der Rewe Group, wird im Edeka-Verbund die zentrale Plattform, mit der sich Kaufleute ihren eigenen Online-Shop bauen können, nicht gut angenommen. Seit langem nehmen nur 31 Kaufleute teil.
Auch der gesamte Online-Anteil am Umsatz der größten deutschen Lebensmittel-Handelsgruppe, des Edeka-Verbundes, lag inklusive des zentral gesteuerten Lieferservices Bringmeister und der Beteiligung an Picnic nach Berechnungen des Retail Optimisers im Bereich von schlappen 0,6 Prozent.
Online-Handel mit Food ist Verlustgeschäft in Deutschland
Doch das hat seinen Grund. Denn das Kernproblem des Lebensmittel-Handels in Deutschland ist: Die Selbstbedienung abzuschaffen, die Ware für den Kunden aus den Regalen der Vertriebsstätten zu kommissionieren und ihm dann auch noch nach Hause zu bringen ist nicht profitabel machbar. Nicht in Discounter-Deutschland, wo die Preise für Lebensmittel im Verhältnis zu den Haushaltseinkommen niedriger sind als in jedem anderen Land.
Und auch trotzt Crowd-Working in der Logistik wird Amazon mit der Schnellbelieferung via Prime Now ausschließlich Geld verbrennen. Ebenso wie Tegut, die zusätzlich zu dem Anteil am Umsatz, den Amazon behält, auch noch die Kommissionier-Leistung in den Märken erbringen muss.
Amazon setzt bei Food auf Omnichannel
Auch wenn noch unklar ist, wie Amazon mit eigenen Stores in den Handel mit Lebensmittel in Deutschland einsteigen wird, ist zweifelsfrei, dass es passieren wird – und zwar als Onmichannel-Geschäft. In den USA kann man beobachten, dass Amazon massiv an eine stationären Präsenz im Lebensmittel Einzelhandel arbeitet – und das mit gleich vier Vertriebslinien: Dem übernommenen Bio-Supermarkt-Betreiber Whole Foods, dem kassenlosen Convenience Store Format Amazon Go, dem ebenfalls kassenlosen etwas größeren Amazon Go Grocery und dem Verbrauchermarkt-großen neuen Format Amazon Fresh.
Dabei haben die größeren Vertriebslinien von Amazon im Lebensmittel-Bereich eins gemeinsam: Sie dienen in unterschiedlicher Form als Kommissionier-Basis für die taggleiche Belieferung durch Prime Now. Amazon wird mit Lebensmitteln lange kein Geld verdienen, bei so viel Service. Aber das hält den Online-Primus nicht davon ab, sich auch in diesen Markt mit großen Investitions-Summen reinzudrängen.
Der deutsche Handel muss seine Hausaufgaben machen
Für den deutschen Lebensmittel-Handel heißt es daher: Die Verschnaufpause ist vorbei. Er muss sich jetzt mit intelligenten Omnichannel-Konzepten auf ein Leben mit Online-Vertrieb einstellen.
Und er muss zusammen mit seinen Lieferanten seine Hausaufgaben machen, und umfassende und fehlerfreie Artikelstammdaten bereithalten: Dazu zählen nicht nur die rechtlich geforderten Angaben, sondern auch alle Informationen die Menschen mit allen möglichen Nutritional Needs haben möchten. Nicht zuletzt braucht es erstklassige Bilder und sinnhafte Marketing-Texte.
Ein Blick über die Grenze lohnt sich
Für den deutschen Handel lohnt sich ein Blick über die Grenze nach Frankreich. Dort haben die meisten Handelsunternehmen ihre Hausaufgaben viel besser gemacht, und dies aus mehreren Gründen: Zum einen haben sie viel getan, um umfassende und korrekte Produkt-Informationen online bereitstellen zu können, welche weit über die rechtlichen Anforderungen hinaus gehen. Zum anderen haben einige auch den Online-Handel mit Non-Food selbst in die Hand genommen. Und im schwierigen Bereich Lebensmittel setzen sie eben nicht allein auf Heimlieferung, sondern auch auf intelligente Konzepte wie urbane Abholstationen.
Auch in Frankreich ist Amazon nach Angaben des französischen Verbandes für E-Commerce und Versandhandel (FEVAD) das größte E-Commerce-Unternehmen. Allerdings ist sein Abstand zu den Online-Aktivitäten der großen Handelsorganisationen in der Grande Nation nicht so groß wie der in Großbritannien und Deutschland. Und das Top-Management der französischen Einzelhandelskonzerne klingt weniger verzweifelt: Michel-Édouard Leclerc, Präsident von Frankreichs größtem Lebensmittelhändler E.Leclerc, erklärte sogar unverblümt, er habe keine Angst vor Amazon.
Group Casino behauptet sich mit Cdiscount
Obwohl die Größe von Amazon Frankreich — in 2018 gab das Unternehmen ausnahmesweise seinen Gesamtumsatz in Frankreich bekannt: 4,5 Milliarden Euro — auch dort für alle Akteure auf dem Markt eine Herausforderung darstellt, behaupten sich etablierte Non-Food-Anbieter wie Fnac für Unterhaltungselektronik und Veepee für Flash-Verkäufe stabil. Der im Besitz von Casino befindliche reine Online-Player Cdiscount erzielte 2019 einen Nettoumsatz von über 2 Milliarden Euro und ist damit der größte direkte Konkurrent von Amazon in Frankreich.
Was Cdiscount an Größenvorteilen fehlt, wird teilweise durch die Beschaffungskapazitäten der Muttergesellschaft und die Integration in ihr umfangreiches Filialnetz kompensiert. Um neue Drittanbieter zu gewinnen, hat Cdiscount kürzlich das International Marketplace Network gegründet, das sich mit der rumänischen eMag, der italienischen ePrice und der deutschen Real.de zusammengeschlossen hat.
E.Leclerc investierte massiv in Technologie
Carrefour war bei seinen Bemühungen um den Online-Handel mit Non-Food mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert. Das Unternehmen veräußerte den reinen Online-Anbieter Rue du Commerce vier Jahre nach seiner Übernahme, zugegebenermaßen aus Rentabilitätsgründen. Auch der dezentrale Charakter von Genossenschaften wie E.Leclerc, Système U oder Intermarché (ITM) hat in der Vergangenheit die Einführung einer konsistenten E-Commerce-Präsenz behindert.
Aber nach Jahren der Optimierung von Technologie und der Anpassung der internen Organisation scheint die Richtung zu stimmen. Michel-Édouard Leclerc erklärte sogar: “In diesem Frühjahr wurden alle unsere E-Commerce-Aktivitäten, die einen nicht zu vernachlässigenden Umsatz von mehr als 3 Milliarden Euro ausmachen, unter einem einzigen Portal vereint, um Amazon sowohl im Food- als auch im Non-Food-Bereich abzuwehren. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden wir der französische Amazon sein.”
Französische Händler setzen auf Alkemics
Im Jahr 2017 beschloss der Direktor E-Commerce von E.Leclerc mit Alkemics zusammenzuarbeiten, um das Omnichannel-Einkaufserlebnis mit besser qualifizierten Produktinformationen zu verbessern. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er Schwierigkeiten, Produktdaten von tausenden von Lieferanten aus den mannigfaltigen Warengruppen zu sammeln. Die Daten waren aufgrund von Eingabefehlern nicht immer aktuell und auch nicht fehlerfrei. Auch schienen sie nicht homogen über die Vertriebskanäle des Händlers zu sein.
Außerdem nahm die Datenerfassung sein Team zu viel Zeit in Anspruch. Er erhielt immer wieder schlechte Daten vor der Industrie, die durch sein Team für die E-Commerce-Websites angereichert werden mussten. Sein Ziel war es, umfassende, konsistente und einfach zu lesende Informationen zu erhalten, die gesetzeskonform und für jeden Vertriebskanal verfügbar sein sollten, angefangen mit der E.Leclerc-Website.
Er wollte ergänzende Informationen mit zum Beispiel Rezepten oder Video-Tutorials von den Lieferanten erhalten, damit die Konsumenten alle Produktdaten haben, die sie brauchen — und sogar mehr als in einem physischen Store zu finden sind. Alkemics hat E.Leclerc dies ermöglicht und innerhalb von nur sechs Monaten mehr als 2.000 Hersteller an Bord gebracht, die tausende dieser Produkten teilten. Für jedes Produkt werden mehr als 150 Felder ausgefüllt, die umfassende Produktinformationen liefern.
Das Video zeigt, wie Alkemics den Handel auf seinem Weg in die Digitalisierung unterstützt. (Video: Alkemics)
Inzwischen arbeitet nicht nur E.Leclerc mit Alkemics zusammen, sondern alle französischen Lebensmitteleinzelhändler, darunter Carrefour, Intermarché, Auchan, Metro, Casino, Louis Delhaize (Cora) und Système U. Derzeit nutzen mehr als 18.000 Markenhersteller Alkemics, um ihre Produktdaten zu digitalisieren, zu zentralisieren und zu veröffentlichen.
Französische Händler setzen ihre Filialnetze wirksam ein
Trotz Leclercs Prahlerei wird Amazon seine Dominanz in Frankreich mit Sicherheit weiter ausbauen. Der Vorstoß des Online-Primus in den Lebensmitteleinzelhandel, wie er in anderen Ländern begonnen wurde, wird sich jedoch als besonders schwierig erweisen. Wenn Amazon seine Non-Food-Durchdringung nutzt, um sich langsam in weniger profitable Lebensmittelkategorien auszubreiten, haben die französischen Einzelhändler bereits das E-Grocery-Business zu ihren eigenen Bedingungen eingeführt.
Sie nutzen ihr physisches Netzwerk von Vertriebsstätten und vermieden gleichzeitig die kostspielige letzte Meilen, indem sie Click & Collect, und speziell auch Drive-Throughs voranbringen. Nach Angaben der FEVAD repräsentiert Click & Collect im Jahr 2019 einen Umsatz von rund 6 Milliarden Euro, was 80 Prozent des E-Commerce mit Konsumgütern im Land ausmacht.
Infolgedessen ist die Heimlieferung von Lebensmitteln de facto zu einer Nische geworden, die sich der Handel bezahlen lässt und damit eine kleinere demographische Zielgruppe von wohlhabenden Stadtbewohnern oder Verbrauchern mit eingeschränkter Mobilität anspricht. Dennoch wird auch dieses Segment zunehmend Wettbewerbs-intensiv, vor allem, wenn man die Lieferung durch Restaurants und Kochkisten mit berücksichtigt. Die Betreiber von SB-Warenhäusern in Frankreich sind besonders bestrebt, die demografische Entwicklung in den Städten zu nutzen, indem sie eigenständige Abholpunkte direkt im Herzen der französischen Städte einrichten.
E-Commerce jenseits der Heimlieferung
Im Gleichschritt mit Cora (Louis Delhaize), Auchan und E.Leclerc eröffnete Carrefour ein dutzend eigenständiger Abholstationen im Pariser Stadtgebiet und bietet hier 15.000 SKUs zum SB-Warenhaus-Preis. Der Zugewinn an neuen Kunden und ein durchschnittlicher Warenkorb von 55 Euro sind Berichten zufolge zufriedenstellend, wenn man die begrenzte Grundstücksfläche und die niedrigen Kosten für die Auftragsabwicklung berücksichtigt.
Aber ist der E-Commerce im Lebensmittelhandel in Frankreich rentabel? Nun, die Einzelhändler schweigen natürlich zu diesem Thema, aber Carrefour gibt die Antwort zwischen den Zeilen bezüglich der oben genannten Abholstationen: Der französische Handels-Primus erwägt, die Tiefe des Angebots zu reduzieren, um damit wettbewerbsfähig zu werden, und zwar auf 8.000-12.000 SKUs. Auch testet Carrefour automatische Ausgabeautomaten, die rund um die Uhr geöffnet sind.
Der Online-Wettlauf des französischen Einzelhandels besteht in erster Linie darin, Marktanteile zu halten, idealerweise zu gewinnen und gleichzeitig den Schaden unter dem Strich so gering wie möglich zu halten. Dies mag wie ein Wettlauf nach unten erscheinen, aber der Blick nach Frankreich zeigt, dass dies schlicht der Preis dafür ist, eine E-Commerce-Dampfwalze zu behindern, für die Rentabilität selten ein Grund zur Sorge ist: Amazon.