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Handel will allen Kunden elektronische Bons bieten

Bereits seit Anfang des Jahres 2020 sind Handelsunternehmen und Gastronomiebetriebe in Deutschland gesetzlich verpflichtet, Kassenbons auszugeben. Zudem wurde der Kassenzettel durch zusätzliche verpflichtende Informationen auch noch deutlich länger.

Die neue Papierflut ist ein großes Ärgernis in der Branche, hatten doch viele zuvor Bons nur noch auf Wunsch des Kunden drucken lassen und damit erheblich Kosten und Müll erspart.

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Das EHI Retail Institute stellte bereits im Dezember 2019 in einer Pressemitteilung fest, dass ein zusätzlicher Verbrauch von mehr als 2 Millionen Kilometer Bon-Papier pro Jahr allein im Handel droht. Das entspricht etwa 12,5 Millionen Kilogramm Holz.

Doch es gibt einen Weg für Handelsunternehmen, diese zusätzliche Belastung der Umwelt zu vermeiden und gleichzeitig Kosten zu sparen. Der Gesetzgeber erlaubt die Bereitstellung des Belegs in digitaler Form. Kunden können der Ausgabe eines elektronischen Bons formlos zustimmen. Sobald sie die Möglichkeit haben, den Bon elektronisch zu empfangen, ist die rechtliche Anforderung erfüllt.

Die Handelsunternehmen müssen Bons in standardisiertem Datenformat – wie zum Beispiel jpg, png oder pdf – bereitstellen, denn sie müssen in Standardsoftware ohne Zusatzkosten für die Kunden empfangen werden können. Den Übertragungsweg der Daten stellt der Gesetzgeber frei.

Digitaler Bon über die Kundenbindungs-App

 Große deutsche Handelsunternehmen, die eine eigene Kundenbindungs-App an den Start gebracht haben, bieten den elektronischen Kassenbon darin bereits von Anfang an als Funktion an. Und zwar unabhängig von der Art der Bezahlung.  

Lidl bietet in seiner viel beachteten App Lidl Plus einen elektronischen Bon bereits seit dem offiziellen Deutschland-Start der Anwendung an. Der Retail Optimiser berichtete. Und zwar unabhängig von der Frage, wie der Kunde bezahlt und lange, bevor der Discounter mit Lidl Pay auch eine eigene Bezahlart mit der App an den Start gebracht hat.

Nutzer der Lidl Plus App erhalten bereits heute einen E-Bon. (Foto: Lidl)

Auch die Edeka Gruppe bietet in ihrer als gruppenweite Edeka-Lösung gedachte „Genuss Plus“ App einen elektronischen Bon an. Auch wenn die Genuss Plus App eine große Rolle in der Handelsgruppe spielt: Die Edeka Gemeinschaft wäre nicht die Edeka Gemeinschaft, wenn nicht einzelne Regionalgesellschaften noch alternative Apps betreiben würden.

Auch Kunden der Rewe Group können einen elektronischen Bon erhalten – sofern sie am Kundenbindungsprogramm teilnehmen. Rewe stellt den Service über Payback bereit, Kunden müssen sich zunächst dort für den Rewe-eBon registrieren.   

Niedrige Akzeptanz

Ein elektronisches Archiv aller seiner Bons bringt für den Kunden erhebliche Vorteile, vor allem bei Reklamation und Umtausch. Und dennoch diskutieren die Verantwortlichen im Handel das Thema elektronischer Bon gerade heftig. Denn die Zahl der Nutzer über die Kundenbindungs-Programme fällt bescheiden aus.

Der Handel sucht daher jetzt nach Wegen, den elektronischen Bon allen Kunden anzubieten, auch der schweigenden Mehrheit, die in Deutschland unverändert anonym einkaufen möchte.  

Einige große Handelsunternehmen testen daher derzeit die Lösung EmailBon, die der Store-Technologie-Lieferant von Lidl, Aldi Nord und der Edeka Gruppe, GK Software, entwickelt hat. Mit der Lösung kann der elektronische Beleg unabhängig von der eingesetzten Kassensoftware anonym empfangen werden – sogar ohne Angabe der Email-Adresse. 

Anonymität als Schlüssel zum Erfolg

Die Anwendung wird von GK Software als Cloud-Service für die Handelsunternehmen bereitgestellt. Eine Konsumenten-App bietet GK Software nicht, sondern eine technologische Lösung, welche die Handelsunternehmen in ihre Welt integrieren können.   

Da die Einzelhandels-Gruppen das Thema als Wettbewerbsvorteil sehen, suchen sie nach Lösungen, die sie ihren Kunden unter ihrer eigenen Marke anbieten können – und keine Händler-übergreifende Konsumenten-Anwendung.

Der elektronische Kassenbeleg kann per Email an den Kunden versandt werden. (Foto: Retail 7)

„Mit EmailBon werden ganz bewusste und konsequent keinerlei Daten gesammelt“, erklärt Enrico Peter, Geschäftsführer der GK Software-Tochter retail7. Genau dies sei nämlich die Anforderung der Handels-Organisationen: Den elektronischen Bon auch den Kunden anbieten zu können, die anonym einkaufen wollen.

Ohne Daten zu sammeln, bietet die Lösung EmailBon den Handelsunternehmen die Möglichkeit, den elektronischen Bon auf drei verschieden Wegen auszugeben. Und zwei davon ermöglichen das vollständig anonyme Einkaufen.

Zum einen kann auf dem Kundendisplay der Kasse ein QR Code angezeigt werden, der den Link zum Kassenbon enthält. Der Kunde scannt diesen mit seinem Smartphone und schon wird der Bon im Browser aufgerufen und kann vom Kunden abgespeichert werden. Zum lokalen Abspeichern bietet GK Software den Kunden eine eigene App, die aber nicht zwingend genutzt werden muss und die Belege nur lokal ablegt.

Zum anderen besteht die Option, anstatt des Bons einen QR-Code an der Kasse auszudrucken. Diesen kann der Kunde auch später noch einlesen und über einen beliebigen Browser Zugriff auf den Bon erhalten.

Wie der Name EmailBon vermuten lässt, erlaubt die Lösung jedoch auch den Versand via E-Mail, sofern der Kunde bereit ist, sie anzugeben. Hierbei wird die E-Mail-Adresse des Kunden am POS erfasst. Dies kann manuell, durch scannen eines QR-Codes oder per Einlesen einer Kundenkarte geschehen. Der Mail Server des Händlers versendet dann die von der Lösung generierten Belege. Alle drei Möglichkeiten sind kombinierbar, so dass der Kunde an der Kasse entscheiden kann, welche Option er nutzen möchte.

Statt eines langen Kassenzettels kann der Händler an der Kasse einen Ausdruck des QR-Codes erzeugen. Diesen kann der Kunde jederzeit auch später einlesen und so zu seinem Beleg gelangen. (Foto: Retail 7)

Händler-übergreifende Apps

Für Verbraucher könnte es jedoch auch vorteilhaft sein, Belege von Einkäufen bei verschiedenen Händlern in einer App zusammenzufassen. Darauf zielt unter anderem das Regensburger Start-up Unternehmen Techreach mit seiner App Anybill. Mit der Anybill App können Kunde zur Identifikation einen QR-Code erzeugen und an der Kasse teilnehmender Handelsunternehmen einscannen lassen oder den Kassenbon in Form eines QR-Codes vom Kundendisplay einlesen.

Eine dritte Variante ist die Verknüpfung mit einem Zahlungsmittel, zum Beispiel der Bankkarte. In jedem Falle muss die Technologie dazu vom Händler in das Kassensystem integriert werden. Techreach gibt an, dass dies ohne zusätzliche Hardware möglich ist. Auch die Integration in eine bestehende Händler App ist möglich. Allerdings ist die Anzahl der angeschlossenen Händler zurzeit noch sehr überschaubar.

Standards-Frage

Diskutiert wird in der Branche auch, ob fehlende Daten-Standards ein Grund dafür sein könnten, dass das Thema bisher nicht so richtig zum Fliegen kommt. Die GS1 erklärte ihre Bereitschaft, Bemühungen zur Standardisierung zu begleiten und zu unterstützen. Doch so wichtig Standards generell sind, wird die Frage kontrovers diskutiert.

Der Gesetzgeber verlangt die Ausgabe des digitalen Bons in Standard-Bildformaten oder pdf. Die Gestaltung des Bons ist den Handelsunternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben freigestellt und bedarf keiner Standardisierung. Und die Nachfrage der Handelsorganisationen nach Lösungen, die auch ihre Wettbewerber einsetzen, geht bislang gegen null. So heißt es bei der Rewe Group unverändert: „Lasst uns das besser machen als die Blau-Gelben.“ Und bei der Edeka Gruppe: „Das bekommen wir besser hin als die Roten.“

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Joachim Pinhammer

Joachim Pinhammer unterstützt als Retail Experte Handels- und Technologie-Unternehmen durch Beratung und Marketing-Expertise. Er war als Senior Analyst und Director Retail Technology bei der Analysten-Gruppe Planet Retail tätig. Davor war er als Director Marketing der Wincor Nixdorf AG (heute Diebold Nixdorf) verantwortlich für den internationalen Marketingauftritt der Retail Division des Unternehmens. Joachim Pinhammer ist regelmäßiger Sprecher auf Veranstaltungen der Messe Düsseldorf (EuroShop und EuroCIS), des EHIs und anderen Branchen-Events. Er veröffentlicht Fachbeiträge in Magazinen und Online-Foren der Branche.

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