Vom Hype in die Filiale: KI kommt im Einzelhandel an
KI-Technologien im Handel gewinnen rasant an Bedeutung. Für Unternehmen des Einzelhandels gibt es eine breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten, angefangen bei internen Prozessen über Logistik bis zum Personal. Während auf der einen Seite großes Potenzial von generativer KI erwartet wird, sind die Anwendungsmöglichkeiten für stationäre Händler noch unübersichtlich. Doch Unternehmen im Einzelhandel erreichen Effizienzgewinne: Das zeigen Praxisbeispiele von Künstlicher Intelligenz am Checkout bei Netto, bei der Rewe-Group und in der Store-Layout- Planung bei Rossmann. Darüber belegt der Einsatz von KI bei der Verkaufsunterstützung und im Aufgabenmanagement bei M-Preis, wie die Arbeit der Mitarbeitenden durch die Technologie einfacher wird. Auch in der Ausbildung gibt KI Tipps zu Lerninhalten und hilft so, die Hürden des Fachkräftemangels abzubauen. KI vielfältig und sinnvoll einzusetzen, ist eine Zukunftschance für den Einzelhandel, weshalb 70 Prozent der Händler mit Investitionen begonnen haben.
Künstlicher Intelligenz wird enormes Potenzial und der generativen KI wird sogar eine revolutionäre Wirkung auf den Einzelhandel zugeschrieben: Durch KI sollen Prozesse beschleunigt werden, Produktivität, Umsatz und Ertrag sollen schneller wachsen. Anwendungen mit KI ziehen sich durch alle wichtigen Geschäftsbereiche, angefangen bei der Filiale über die Logistik und den Einkauf bis zum Personal und hin zum Kunden. Diese und weitere Bereiche sollen durch den Einsatz von KI im Einzelhandel transformiert werden.
Doch wie ist der Stand im Einzelhandel wirklich? Ist die KI in den Filialen schon angekommen? Und was tun deutsche Retailer, um die KI-Adaption in ihren Filialen zu fördern?
Der deutsche Einzelhandel setzt verstärkt auf KI
Weltweit und auch in Deutschland gewinnen KI-Technologien rasant an Bedeutung: Der aktuellen Studie des EHI Retail Instituts ‚Generative KI im Einzelhandel‘ zufolge haben bereits 70 Prozent der Unternehmen des Einzelhandels in KI-Anwendungen investiert oder planen dies in den nächsten zwölf Monaten.
Bei den Befragten erhoffen sich 23,3 Prozent dabei insbesondere Unterstützung bei Logistik, Warendisposition und Supply Chain Management. Rund ein Viertel nutzt KI im Marketing und Einkauf sowie Category Management. Weitere Einsatzfelder sind Chatbots oder Anwendungen, welche die Produktivität der Mitarbeiter steigern sollen und die Content-Erstellung unterstützen.
Disruption und Treiber im Einzelhandel
Während laut Statista der Einzelhandel in den vergangen Jahren seine Umsätze kontinuierlich steigern konnte und im Jahr 2023 rund 649,9 Milliarden Euro umgesetzt hat, befindet sich die Einzelhandelsbranche gleichzeitig im Wandel. Treiber sind die hohe Marktkonzentration, bei der nicht-filialisierte Einzelhandel-Unternehmen durch große Handelsketten vom Markt verdrängt werden und der steigende Marktdruck durch den wachsenden E-Commerce: Der Umsatzanteil des Online-Handels stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an und lag zuletzt bei rund sieben Prozent.
Hinzu kommt, dass die Verlagerung zum Omnichannel Retail zu einer digitalen Disruption geführt hat, bei der sich die Customer Journey grundlegend verändert hat. Neue Touchpoints zum Kunden und neue Geschäftsmodelle sind entstanden. Damit einhergehend sind die Erwartungen der Verbraucher anspruchsvoller geworden. Der Trend geht zu personalisierten Erlebnissen, schneller Lieferung und hoher Produktqualität. Auch die Nachhaltigkeit spielt eine Rolle, weil die Kunden nach umweltfreundlichen Produkten suchen und auf nachhaltige Lieferketten, Verpackungen und energieeffiziente Praktiken achten.
Innovation als Wettbewerbsfaktor
Darüber hinaus stellt der globale Wettbewerb die Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Durch die Globalisierung ist die Konkurrenz härter und schneller geworden. Unternehmen müssen innovativ sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Daten sind Gold wert – und die Einzelhandelsbranche erzeugt riesige Datenmengen, von Verkaufstransaktionen bis hin zum Kundenfeedback. Die Möglichkeiten für datengestützte Entscheidungen sind hervorragend, doch gilt es, die schiere Datenflut zu kanalisieren. Schließlich liegt die Problematik nicht im Sammeln von Daten, sondern in der Fähigkeit, die vorhandenen Daten zu konsolidieren, auszuwerten und zu steuern. Das bestätigen 94 Prozent der Geschäftsführer in der aktuellen Salesforce-Umfrage ‚State of Data and Analytics‘, indem sie sagen, dass ihre Organisation mehr Wert aus ihren Daten ziehen sollte.
Generative KI erhöht Produktivität
Eine aktuelle Befragung der IW Consult im Auftrag von Google prognostiziert großes Potenzial von generativer KI für den deutschen Einzelhandel. Demnach könnte die Nutzung KI-basierter Tools ein jährliches Wachstum der Produktivität im Handel von bis zu 1,3 Prozent ermöglichen. Um geschätzt 10 Milliarden Euro könnte sich die Bruttowertschöpfung im deutschen Einzelhandel durch den Einsatz von generativer KI erhöhen.
Besonders hoch sind die Erwartungen an die generative KI. Doch worin unterscheidet sich generative KI von anderen KI-Ausprägungen? „Einer der wichtigsten Unterschiede ist die Dimension dieser neuen Technologie“, sagt Maximilian J. Schäfer, Senior Account Manager DACH Retail Software von Zebra Technologies. „Die generative KI ist nicht nur auf einen Kontext beschränkt, etwa die Software-Entwicklung oder die Personaleinsatzplanung. Nahezu alles, was heute im Einzelhandel passiert, birgt Potenzial für einen KI-Einsatz. Als Kunde fotografiere ich den Inhalt meines Kühlschranks und die KI sagt mir, was ich kochen kann und bestellt für mich automatisch beim Supermarkt meiner Wahl, wo ich die Lebensmittel dann abholen oder liefern lassen kann. Das Tempo dieses technologischen Wandels vollzieht sich rasend schnell.“
Stationärer Handel findet Anwendung schwierig
Obwohl diese Zukunftsvisionen vielversprechend klingen, tut sich der stationäre Handel noch schwer damit, konkrete KI-Einsatzmöglichkeiten zu definieren. Tatsächlich sind Befragte im stationären Handel verunsichert und sehen keine passenden Anwendungsgebiete: Der im Auftrag von Google durch IW Consult erstellten Studie zufolge wissen 36 Prozent der befragten Führungskräfte im stationären Handel und 26 Prozent derer im Online-Handel nicht, wo sie mit dem Einsatz von KI starten sollen. Und 43 Prozent der Manager des stationären Handels und 34 Prozent der des Online-Handels sagen, dass sie nicht sehen, wie der Einsatz von KI für sie aktuell Mehrwert schaffen soll.
Generative und Prädiktive KI
Um Anwendungsbereiche für die KI herauskristallisieren zu können, hilft eine Betrachtung der Teilbereiche der Technologie:
Generative KI bezieht sich auf Technologien, die in der Lage sind, neue Daten zu erzeugen, die auf Mustern und Informationen basieren, die sie aus bestehenden Daten gelernt haben. Anders gesagt, bezeichnet generative KI einen Zweig der Künstlichen Intelligenz, der es Computern ermöglicht, originäre Inhalte zu erzeugen, von Bildern und Kunstwerken bis hin zu Poesie, Musik, Text, Video, Dialogen und sogar Computercode. Generative KI ist somit eine extrem wichtige technologische Veränderung mit weitreichenden Auswirkungen.
Prädiktive KI-Modelle sollen mit möglichst präzisen und fundierten Daten die Entscheidungsfindung beschleunigen. Sie analysieren Muster und treffen Vorhersagen, indem sie Datenanomalien identifizieren und zukünftige Ereignisse vorausberechnen. Dadurch kann die Zeit, die Unternehmen für die Recherche oder die Analyse von Informationen benötigen, verkürzt werden, sodass mehr Zeit für die strategische Entscheidungsfindung bleibt.
Sowohl der generativen als auch der prädiktiven KI liegt das Machine Learning zugrunde. Machine Learning ist ein Teilgebiet der KI, das sich auf die Entwicklung von Algorithmen und Techniken konzentriert, die aus Daten lernen. Es wird oft für Klassifizierungs- und Regressionsprobleme verwendet.
Deep Learning ist eine spezielle Art von Machine Learning, die auf neuronalen Netzwerken mit mehreren Layern basieren, welche abstrakte Hierarchien von Merkmalen lernen können. Typische Aufgaben sind Bild- und Spracherkennung, die große Mengen an Daten und Rechenleistung erfordern.
Top-Trend generative KI
Generative KI ist laut Technologie Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner einer der Top-Tech-Trends in zahlreichen Branchen, insbesondere auch dem Einzelhandel. Seit der Einführung von ChatGPT, dem Chatbot des US-amerikanischen Unternehmens Open AI, im November 2022, hat die Anwendung und Akzeptanz von KI-Technologien in nahezu allen Branchen rapide zugenommen. Auf fast 30 Milliarden Euro wird die Größe des deutschen Marktes für generative KI im Jahr 2030 geschätzt – mehr als sechsmal so groß als noch zehn Jahre zuvor.
Der Einsatz von KI verspricht einen Quantensprung bei der Automatisierung von Prozessen, bei der Beschleunigung und Verbesserung der Entscheidungsfindung und bei der Produktenwicklung, weil Produkte und Dienstleistungen passgenauer entwickelt werden können. Auch die Innovationskraft soll dadurch wachsen.
KI spielt zukünftig entscheidende Rolle
Die Mehrheit der Befragten in der EHI-Umfrage ‘Generative KI im Einzelhandel‚ ist der Auffassung, dass die Künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen und viele Bereiche unseres täglichen Lebens beeinflussen wird. Die meisten erwarten, dass die KI unser Leben vereinfachen wird, weil sie uns bei verschiedenen täglichen Aufgaben unterstützt. 63 Prozent der durch das EHI Befragten sind davon überzeugt, dass die generative KI für den Handel spannende Anwendungsmöglichkeiten bietet und die gesamte Wertschöpfungskette beeinflussen wird.
Auf die Frage nach den unternehmerischen Zielen stimmen die meisten den Aussagen zu, bei denen Einsparungen im Vordergrund stehen. 62,2 Prozent sehen Einsparungen bei internen Prozessen und 42 Prozent beim Personal. Im Gegenzug erwarten 31,7 Prozent Umsatzsteigerungen und 39,6 Prozent Ertragssteigerungen durch den Einsatz von KI.
KI steigert Effizienz bei Prozessen und Personal
KI bietet in vielen Geschäftsprozessen wertvolle Unterstützung – so in der Filiale zum Beispiel am Self-Checkout oder im Kundenkontakt mit mobilen Verkaufsberatern. Auch im Marketing – Stichwort Personalisierung. Weitere Bereiche sind die Preisoptimierung, die Sortimentsplanung und die Logistik mit der Optimierung von Lieferketten, Bestandsmanagement, Vorhersage von Nachfragen und Routenplanung.
Im Einkauf ist KI nützlich für die Automatisierung von Bestellprozessen, für Preisverhandlungen und Lieferantenauswahl. Nicht zuletzt wird KI im Personalwesen eingesetzt für automatisiertes Recruiting, Mitarbeiterentwicklung und Leistungsbewertung für die Personaleinsatzplanung und Schulungen.
KI revolutioniert die Kasse
POS-Lösungen im Einzelhandel sind längst mehr als einfache PC-Kassen – Self-Service ist auf dem Vormarsch. Um Wartezeiten zu verkürzen und den Checkout zu beschleunigen, setzen immer mehr Unternehmen auf flexible, hybride Kioskterminals und smarte Kassenstationen. Laut EHI Retail Institut sind derzeit etwa 16.000 SB-Kassen in mehr als 5000 Geschäften in Deutschland im Einsatz. Die meisten davon befinden sich in Supermärkten wie Rewe und Edeka.
KI macht Self-Checkouts effizienter, weil sie zentrale Kassenprobleme löst. Smarte Technologien verringern Reibungspunkte wie das Scannen von Produkten oder den Kauf von Artikeln mit Altersbeschränkung. KI kommt dabei in verschiedenen Formen zum Einsatz: Sprachassistenten erleichtern den Kassiervorgang, während Deep Learning Systeme trainiert, Produkte zu erkennen und Fehler zu minimieren. Computer Vision erkennt visuell, welche Artikel im Warenkorb oder auf dem Kassenband liegen – für einen reibungslosen und schnellen Checkout.
Kameratechnik an der Kasse – Computer Vision
In Zukunft sollen Kassen mit Computer-Vision-Kameras blitzschnell werden und das Scannen überflüssig machen. So arbeitet das US-amerikanische Technologieunternehmen Radius-AI an Lösungen, bei denen Kunden ihre Artikel auf den Tresen legen und Kameras alle Produkte in weniger als einer Sekunde erfassen. Auf dem Bildschirm erscheinen Produktdetails und Gesamtkosten. Der Kunde kann den Einkauf selbst abschließen, während das System bei Gutscheinen oder Artikeln mit Altersbeschränkung automatisch den Kassierer informiert, so die Vision von Radius-AI.
Eine Hardware-Lösung für den Self-Checkout die mit KI-Funktionalitäten ausgestattet ist, hat Zebra kürzlich vorgestellt. Der Multi-Ebenen-Scanner der Serie MP72 von Zebra nutzt eine bildverarbeitungsbasierte Software und eine verbesserte Farbkamera, die die Ware beim Scannen erkennt. Mit dem modernen Scanner brauchen Kunden weniger Hilfe, weil sie keine Artikel erraten müssen. Gleichzeitig senkt das Gerät das Betrugs- und Schwundrisiko.
Praxisbeispiele von KI im deutschsprachigen Handel
Vom Hype zum Gamechanger? Gilt das auch für die KI im Einzelhandel? Wo wird KI in deutschen Unternehmen der Branche auf Filialebene tatsächlich heute verwendet? Das zeigen die folgenden Praxisbeispiele aus ausgewählten Vertriebsstätten im deutschsprachigen Raum.
Künstliche Intelligenz als Einkaufsbegleitung bei Netto
Netto ermöglicht in seiner rund 800 Quadratmater großen Regensburger Filiale autonomes Einkaufen mit bargeldlosen Zahlmethoden ohne vorherige Registrierung und ohne zwingende Verwendung eines Smartphones. Nach dem Betreten der Filiale ordnet smarte Technologie in den Decken und Regalen die entnommenen Produkte den jeweiligen Kunden zu und erstellt die individuellen Warenkörbe sowie Einkaufsbeträge in Echtzeit. Dies geschieht anonym, ohne dass persönliche Daten erfasst werden.
Das Besondere: Im Gegensatz zu den bisherigen Pick&Go-Konzepten wird der jeweilige berechnete Warenkorb nicht im Nachgang, sondern vor der Bezahlung am Fast-Exit-Terminal angezeigt. Kunden erhalten ihren Kassenbon direkt am Terminal in der Filiale.
Automatisierte Kassenlösungen bei Rewe
Auch die Rewe Group setzt in einigen Filialen auf moderne, KI-gestützte Kassenlösungen. Kunden können hier wählen, wie sie ihre Einkäufe bezahlen möchten: Kassenlos mittels App, durch Scannen und Bezahlen am Self-Checkout-Terminal, via Computer Vision Unterstützung ohne Scannen am Self-Checkout-Terminal oder klassisch an der Bandkasse. Die Einkäufe werden im Store mit modernster Kamera- und Sensortechnologie erfasst und auf Wunsch nach Verlassen des Marktes ohne Kassenvorgang automatisch abgerechnet.
Rewe arbeitet in diesem Projekt mit Trigo zusammen, dessen Lösung ein 3D-Modell eines Supermarktes erstellt, um die Umgebung und Bewegungen darin digital abzubilden, so dass die Kunden Artikel auswählen und mit ihnen hinausgehen können, während ihre Privatsphäre geschützt wird.
Generative KI für die Store-Planung bei Rossmann
Ein weiteres Beispiel für Anwendungen, bei denen Einzelhändler generative KI für das Thema Self-Checkout einsetzen, ist das Modell des Drogeriefilialisten Rossmann: Bei Rossmann stellt sich mit jeder Neueröffnung oder Wiedereröffnung nach einem Umbau die Frage nach der optimalen Anzahl von Self-Checkouts. Um eine verlässliche Entscheidungsgrundlage zu bieten, hat Rossmann ein KI-Modell auf Basis von Machine Learning entwickelt, das verschiedene Einflussfaktoren einbezieht und daraus die ideale Anzahl von Self-Checkout-Kassen pro Filiale ermittelt.
Wie KI die Verkaufsmitarbeiter unterstützt
KI wird zunehmend eingesetzt, um sowohl die Produktivität als auch die Arbeitszufriedenheit von Verkaufsmitarbeitern zu steigern. Sie unterstützt die Mitarbeiter auf der Fläche durch Handlungsempfehlungen, die auf standardisierten Prozessen sowie Rückschlüssen aus dem Kundenverhalten basieren.
Mit Lösungen, die auf der Fläche genutzt werden, können Mitarbeiter und Führungskräfte über mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablets oder PCs auf Anwendungen zugreifen und erhalten mithilfe natürlicher Sprache effizient und schnell Antworten auf Fragen. Fragestellungen drehen sich dabei um Produkte, Produktkataloge und Verkaufsfragen bis hin zu Filialprozessen, Personalrichtlinien und Schulungen.
Aufgabenmanagement bei Bonita und M-Preis
Ein Weg, um die Produktivität in der Filiale zu steigern, ist beispielsweise eine KI-gestützte Technologie beim Aufgabenmanagement. Diese macht es den Mitarbeitern leichter, den Überblick bei den Aufgaben zu behalten und systematisch Dinge zu erledigen, indem sie ihnen eine automatische Priorisierung von Aufgaben auf ihr Mobilgerät schickt. Mit der Lösung Zebra Workcloud Task Management, die beispielsweise bei Bonita und den Convenience Shops bei BPs Aral im Einsatz ist, erhalten Filialmitarbeiter nach Rollen zugeordnete und priorisierte Arbeitsaufträge, was zu einer höheren Umsetzungsquote führt.
Das österreichische Einzelhandelsunternehmen M-Preis hat im letzten Jahr die Lösung von Zebra eingeführt. Durch das neue Task Management hat das österreichische Handelsunternehmen die Aufgaben um mehr als 60 Prozent als vor dem Roll-out reduziert. Dazu wurde ein klarer Kommunikationsprozess im Unternehmen eingeführt, bei dem die Anzahl der Kommunikationskanäle, die vorher von WhatsApp, über E-Mail bis Fax reichten, in der ‚MyWork‘-Plattform zusammengeführt wurden. Außerdem unterstützte das Projektteam von Zebra das Handelsunternehmen dabei, die Aufgaben von Anfang an klarer zu strukturieren und vor der jeweiligen Zuweisung an die Mitarbeitern besser und klarer zu formulieren. Arbeitsaufträge werden jetzt auch stärker hinterfragt, um Überlastungen der Filialen mit Aktivitäten zu vermeiden. Dank Task Management werden 9 von 10 Aufgaben pünktlich abgeschlossen.
Verkaufsunterstützung mit mobilen Geräten
KI in der Filiale unterstützt die Mitarbeiter auch bei der Kundenberatung: Mithilfe von KI-gestützten mobilen Geräten können Verkaufsmitarbeiter schnell auf Produktübersichten und Informationen zugreifen, ohne in physischen Katalogen suchen zu müssen. KI ermöglicht personalisierte Produktempfehlungen basierend auf Kundenpräferenzen oder aktuellen Verkaufsdaten. Eine Anwendung ist die Ikea App, mit der die Kunden recherchieren oder sich in den Filialen von Mitarbeitern bei der Planung mit mobilen Geräten unterstützen lassen können.
Künftig soll die App neben Katalogfunktionen auch personalisierte Inhalte bieten und die Kundschaft mit einem neuen Navigationsmodus, der mit Augmented Reality zum Wunschprodukt führen soll, durch das Einrichtungshaus steuern. Heute nutzbar sind Crosschannel-Funktionen wie Einkaufsliste, Shop & Go zum Productscan und Bezahlen an der Kasse sowie ein integrierter 3D-Raumplaner.
Chatbots als Helferlein im stationären Handel
Ein weiterer Helfer im stationären Handel sind Chatbots. Sie helfen Unternehmen dabei, Informationen für die Kunden bereitzustellen und sparen Zeit beim Personal. Außerdem tragen sie zur digitalen Transformation bei, weil sie Daten sammeln und in auswertbarer Form ablegen. Während Chatbots im Onlinehandel bereits üblich sind und Händler wie MediaMarkt und Otto sie einsetzen, sind Anwendungen im stationären Handel noch weniger verbreitet.
Ein Beispiel aus dem Handel ist Ikea Deutschland mit einem Chatbot, der Kunden auf der Website und in der App unterstützt und Informationen zu Produkten, Lieferungen, Rückgaben und Filialstandorten bereitstellt. Der Bot hilft Kunden auch bei der Planung von Möbelkäufen und gibt Empfehlungen basierend auf ihren Bedürfnissen.
Der Drogeriemarktbetreiber dm hat in diesem Jahr einen eigenen Chatbot entwickelt, der intern bereits im Test läuft. Laut dm ist „dmGPT unsere unternehmenseigene Instanz des Sprachmodells GPT-3.5“. Die Software wurde intern in der IT-Abteilung von dm entwickelt, bei der bereits rund 1.100 Mitarbeiter dmGPT ausprobiert haben. Das Programm kann von der kompletten Belegschaft getestet werden. Später soll es das gesamte dm-Personal auch in den Filialen und der Logistik nutzen können.
Künstliche Intelligenz im Inventar- und Bestandsmanagement
KI im Bestandsmanagement wird eingesetzt, um Lagerbestände zu optimieren, die Nachfrage zu prognostizieren und die Effizienz der Lieferkette durch Datenanalyse und prädiktive Algorithmen zu verbessern. KI hilft, die Bestandsaufnahme effizienter zu gestalten, indem sie automatisch die Bestandsmengen aktualisiert und Verkaufsprognosen liefert. Denn im gesamten Feld der Effizienz bietet die KI sehr große Möglichkeiten bei der Optimierung von Lieferketten, Bestandsmanagement, Verwaltung und Logistik. Sie unterstützt zum Beispiel bei der Optimierung der Lagerhaltung, der Generierung von Leads oder beim passgenauen Zuschnitt eines ERP-Dashboards für die User und für die Prozessautomatisierung.
Wenn zum Beispiel in einem Webshop ein Auftrag eingeht, prüft das KI-System automatisch die Verfügbarkeit des benötigten Materials am Lager. Wenn dies gegeben ist, geht der Auftrag an die Fertigung. Falls nicht, ermittelt das System, ob sich das Material rechtzeitig aufstocken ließe und wenn das möglich ist, bestellt das System selbstständig und versendet automatisch die Auftragsbestätigung an den Kunden. Der gesamte Prozess wird von der KI erledigt. Nur wenn Probleme auftreten, müssen Menschen eingreifen.
KI im Bestandsmanagement bei der Schwarz Gruppe
Die Schwarz Gruppe mit Lidl und Kaufland setzt auf künstliche Intelligenz im Bestandsmanagement. Das kündigte Christian Müller, Co-CEO der neuen Digitalsparte des Unternehmens, anlässlich der Übernahme des deutschen Start-ups Aleph Alpha im November 2023 an. KI in der Logistik soll dabei helfen, Warenbestände zu steuern und Faktoren wie regionale Feiertage oder Großereignisse zu antizipieren und in die Bedarfsprognose einfließen zu lassen.
Zudem könne KI beispielsweise die Produktbeschreibung von Artikeln übernehmen, die online angeboten werden. „Hier gab es bereits vielversprechende Versuche, die gezeigt haben, dass die KI dabei einen sehr guten Job gemacht hat“, so Christian Müller. Man stehe allerdings „erst am Anfang einer langen Reise“.
Instore-Logistik mit KI bei Rewe und dm
Einen weiteren Ansatz mit KI-Technologie führten der Drogeriemarkt-Betreiber dm und die Rewe Group in ihren Supermärkten schon 2022 mit dem Einsatz eines Warenbestandroboters durch. Dieser Roboter fährt nach Ladenschluss autonom durch das Geschäft, scannt Regale sowie Mobiliar und erstellt ein digitales 3D-Abbild des Ladens.
Beim Drogeriemarkt-Betreiber dm steht die Erstellung von Realogrammen, also digitalen Zwillingen, im Vordergrund. Diese sollen das Tagesgeschäft optimieren, indem sie Regale und Produkte scannen. Auf dieser Basis können anschließend Roboter für jede einzelne Filiale individuell berechnete Paletten packen und somit die Instore-Logistik verbessern. Die erhobenen Daten können dann mit Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden, um die Regalbestückung zu verbessern, die Lagerhaltung zu optimieren oder etwa eine komplette Inventur durchzuführen.
Hornbach setzt auf Computer Vision
Der Baumarktbetreiber Hornbach digitalisiert den Einkauf loser Ware in seinen Märkten. Statt wie bisher die Kunden Zettel ausfüllen zu lassen, erkennt eine Spezialkamera am Regal automatisch die gewünschten Teile. Gemeinsam mit dem Technologielieferanten Captana, einer Tochter der VusionGroup, sieht Hornbach in der Computer-Vision-Technologie Potenzial für weitere Sortimente.
Assistenzfunktionen bei Deichmann
Auch beim Schuhhändler Deichmann wird im Rahmen der Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems über KI diskutiert. In diesem Zuge beschäftigt sich die Abteilung IT Wholesale bei Deichmann auch mit Künstlicher Intelligenz zur digitalen und leistungsfähigen Unterstützung von automatischen Prozessen.
„Mit Microsoft 365 Copilot soll eruiert werden, ob und wie die KI zukünftig im Großhandel zur Abnahme von Alltagsaktivitäten eingesetzt werden kann. Beispielsweise für Aufgaben wie die Auftragserfassung und Artikelstammdatenpflege. Ein sehr spannendes Feld, das die Arbeitsweise auch im ERP-Kontext stark prägen wird“, erklärt Richard Muth, Abteilungsleiter IT Wholesale bei Deichmann.
Preisoptimierung mit KI
Der Preis spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Unternehmens. Es erfordert jedoch enormen Aufwand, eine Vielzahl von Preisen ständig an Marktveränderungen und Unternehmensziele anzupassen. Hier kann Künstliche Intelligenz helfen, indem sie den Prozess automatisiert und beschleunigt, um Preise effizient und präzise zu optimieren.
KI-basierte Preisgestaltungstools nutzen maschinelles Lernen und große Datenmengen, um Faktoren wie Nachfragemuster, Marktbedingungen und Wettbewerbsstrategien in Echtzeit zu analysieren. So können sie präzise Preisanpassungen vorhersagen, die manuell nicht möglich wären. Durch kontinuierliches Lernen optimieren sie ihre Empfehlungen und steigern langfristig die Rentabilität von Unternehmen. Sie sind bereits bei vielen Einzelhändlern im Einsatz, wie beispielsweise die Pricing-Software von Revionics beim Elektronikfachhändler Conrad Electronic und beim Haushaltsgeräte-Unternehmen WMF.
Automatisches Pricing im Fachhandel
Ein Unternehmen das Pricing Software einsetzt, ist die Einkaufsgenossenschaft Euronics. Sie verwendet eine SaaS-Lösung des deutschen Anbieters Xpln, um den etwa 1.200 angeschlossenen Elektrofachhändlern in Deutschland automatisch optimierte Preisvorschläge zu unterbreiten. Das System sorgt dafür, dass die Händler weder zu hohe noch zu niedrige Preise anbieten.
Die Popken Fashion Group verwendet ein Tool von GK zur Preisoptimierung in ihren 23 Online-Shops und 250 Filialen. Tests zeigten, dass Preiserhöhungen bei bestimmten Artikeln den Rohertrag positiv beeinflussen können. „Bereits ab dem vierten bis fünften Tag hat sich in unseren Tests gezeigt, dass es mit GK Air deutlich besser läuft. Der Netto-Rohertrag konnte pro Artikel um 0,82 Euro gesteigert werden“, so Marlon Stresow, Head of Business Intelligence der Popken Fashion Group.
Personaleinsatzplanung und Schulungen
Im Bereich der Personaleinsatzplanung sind KI-basierte Lösungen eine Unterstützung für Personalverantwortliche. Sie erstellen automatisch Pläne, die Über- und Unterbesetzung vermeiden, Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Kompetenzen in die richtigen Schichten einplanen und dabei die Frequenz in der Filiale berücksichtigen. Da die KI in Echtzeit arbeitet, kann sie auch bei Engpässen flexiblere Maßnahmen vorschlagen.
Eine Lösung, die Personaleinsatzplanung und Budgets basierend auf Kundennachfrage und Arbeitsbelastung erstellt, um Abläufe zu rationalisieren und die neue Mitarbeitergeneration zu binden, ist Workcloud Scheduling von Zebra. Die Software nutzt leistungsstarke KI und Analysen, um den gesamten Planungsprozess zu verbessern. Das System optimiert Prognosen, Planung und Schichtverwaltung, um die Mitarbeiterbindung zu erhöhen und das Geschäftsergebnis zu verbessern.
Anwender, wie das amerikanische Fashion-Unternehmen Vera Bradley setzen Zebra Workcloud Scheduling ein, um Personal entsprechend der Kundennachfrage zuzuweisen und haben eine Verbesserung der Planungseffizienz von 25 bis 50 Prozent erreicht. Jede Filiale spart damit 15 Stunden pro Woche an Zeit, die die Mitarbeiter für den Verkauf nutzen können. Das System ermöglicht außerdem eine jährliche Einsparung von 6 Prozent bei den Lohnkosten.
KI-Analysen helfen auch, Warenschwund aufzudecken und die Inventurdaten auszuwerten. Mit der Zebra Workcloud Inventory Optimization-Suite können Einzelhändler genaue, qualitativ hochwertige Bestandszählungen durchführen und mithilfe von KI-Analysen Umsatz- und Bestandsanomalien rechtzeitig erkennen. Durch die Reduzierung der Inventurdauer bei verderblichen Waren um drei Stunden pro Filiale spart eine große US-amerikanische Supermarktkette jährlich 2,9 Millionen US-Dollar.
KI gibt Tipps für Lerninhalte
Auch bei den Schulungen unterstützt die KI durch personalisierte Schulungsprogramme und Richtlinien. Mitarbeiter können darauf über mobile Geräte zugreifen, die von KI-Algorithmen unterstützt werden. Diese Systeme bieten Empfehlungen für Weiterbildungen, basierend auf der Leistung und den Interessen der Mitarbeiter.
Ein Beispiel dafür ist L’Oreal’s My Learning Plattform. Verkaufsmitarbeiter können über mobile Endgeräte Schulungsmaterialien, Kurse und Richtlinien abrufen, wobei KI-basierte Empfehlungen für weitere Lerninhalte vorgeschlagen werden.
Die meisten zögern noch beim KI-Einsatz
Die Beispiele aus dem Einzelhandel zeigen, dass die Branche KI mit positivem Enthusiasmus verfolgt. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Oktober 2023 sehen 56 Prozent der Händler den Einsatz von KI als entscheidend für ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die aktuelle EHI-Studie verdeutlicht die derzeitige Haltung gegenüber generativer KI: zwei Drittel schätzen die Bedeutung als eher gering, ein Drittel hält sie für bedeutend oder sehr wichtig. Der Trend weist dabei nach oben, denn für die nächsten zwei Jahre wird ein deutlicher Anstieg dieser Zahlen erwartet.
Bereits 70 Prozent der Unternehmen investieren heute schon in KI-Anwendungen, während laut Bitkom-Studie 2023 noch 77 Prozent der Händler angaben, dass KI für sie kein Thema sei. Diese Diskrepanz erklärt sich durch die heterogene Struktur des Handels: Größere Unternehmen investieren früher, während kleinere abwarten. So gaben 73 Prozent der Händler an, bei neuen KI-Technologien erst die Erfahrungen anderer abzuwarten. Ein wichtiger Engpassfaktor ist dabei das Personal: 61 Prozent der Unternehmen fehlen die qualifizierten Mitarbeiter, um den KI-Einsatz voranzutreiben.
Sicherheit stellt große Hürde dar
Trotz aller Euphorie über die Möglichkeiten von KI im Einzelhandel herrschen auch Bedenken. Drei Viertel der Händler fürchten, dass der Einsatz von KI im Kundenservice die Distanz zur Kundschaft vergrößern könnte, und 72 Prozent sorgen sich um mögliche Schäden durch KI-generierte Fake-Bewertungen. Eine Mehrheit von 54 Prozent nennt als größte Hürden die Sicherheitsbedenken. Weitere 51 Prozent sorgen sich über rechtliche Unsicherheiten und 50 Prozent bemängeln die fehlende Zuverlässigkeit.
Zudem fehlen oft die Fachkräfte: Nur 12 Prozent der Unternehmen verfügen über ausreichend qualifiziertes Personal, während 58 Prozent nur teilweise oder gar keine qualifizierten Mitarbeiter haben. Datenschutz, EU-Regularien und veraltete Prozesse erschweren den Weg zusätzlich.
Besser einsteigen als abwarten
Bis generative KI flächendeckend im Einzelhandel ankommt, bleibt also noch viel zu tun: Zwei Drittel der Unternehmen (68 Prozent) betrachten sich als Nachzügler in der Digitalisierung, und drei Prozent haben das Gefühl, den Anschluss bereits verloren zu haben. Nur 23 Prozent sehen sich als Vorreiter, während gerade einmal vier Prozent behaupten, an der Spitze zu stehen. Der Weg zur vollständigen Integration von KI-Technologien scheint also noch lang zu sein.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder will Unternehmen zur Innovation ermutigen und sagt: „Wait and See ist selten eine gute Strategie. Die Einstiegshürden für den KI-Einsatz sind derzeit so niedrig wie noch nie. Vom Kundenservice bis zur Werbekampagne, von der Einkaufsplanung bis zur Produkteinführung – KI kann im Handel fast überall sinnvoll eingesetzt werden.“