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Fressnapf sucht nach Enfore-Pleite neue POS Software

Das Unternehmen hinter der Kassen-Software Enfore, welche der europäische Marktführer für Heimtierbedarf Fressnapf seit 2020 einzuführen versucht, ist insolvent. Das berichtete das Manager Magazin. Der Insolvenzantrag der NumberFour AG – so der eingetragene Name von Enfore – ist vergangene Woche beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg eingegangen. Enfore-Gründer Marco Börries gehört dem Verwaltungsrat von Fressnapf nicht länger an, erklärt Fressnapf-Pressesprecher Sebastian Boms heute dem Retail Optimiser auf Anfrage. Fressnapf-Gründer Torsten Toeller hatte Marco Börries im Herbst 2020 in den Verwaltungsrat des Unternehmens berufen.

Im Zusammenhang mit dem verstärkten Einstieg des Private-Equity-Unternehmen Cinven im Juli dieses Jahres bei Fressnapf werde der Verwaltungsrat neu aufgestellt, erklärt der Pressesprecher des Heimtierbedarfs-Unternehmens gegenüber dem Retail Optimiser. Fressnapf ist unter dem Namen Maxi Zoo auch in elf Ländern außerhalb Deutschlands aktiv.

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„Wir werden das Pilotprojekt mit dem POS System der NumberFour AG – kurz Enfore – nicht weiterführen. Die wenigen in Betrieb genommenen Testsysteme werden zurückgerollt, um den laufenden Betrieb in unseren Märkten sicherzustellen“, erklärt Fressnapfs Sebastian Boms gegenüber dem Retail Optimiser. Nach Informationen von Insidern hat das IT-Team von Fressnapf bereits einige etablierte Kassen-Software-Anbieter angeschrieben und so eine neue Ausschreibungsrunde eingeläutet.

Entscheidung für Enfore überraschte Anfang 2020

Fressnapfs Entscheidung für die Lösung Enfore des Seriengründers Marco Börries Anfang 2020 hatte Branchenkenner überrascht. Denn Enfore kam zwar mit großen Versprechungen an den Markt – die Lösung war aber weder fertig entwickelt noch hatte sie Referenzen bei einem Unternehmen der Komplexität des Franchise-Systems Fressnapf. 

Der theoretische Ansatz von Enfore hatte insofern sehr gut zu den Anforderungen des Tierbedarf-Handelsunternehmens gepasst, als dass sie Cloud-basiert, auf mobilen Endgeräten einsetzbar und mit allen Omnichannel-Wassern gewaschen sein sollte. Praktisch hatte Enfore zu diesem Zeitpunkt jedoch wenig fertig entwickelt. Und auch auf den relevanten Branchenevents, wo sich die Handels-Technologie-Profis austauschen, war Enfore nicht zu sehen. Denn den Vertrieb seiner Lösung hatte Marco Börries längst in die Hände der Deutschen Telekom gelegt.

Lösung für Kleinstunternehmen

Dass Enfore bei den meisten Retail Technology-Analysten gar nicht auf dem Radar war, hatte einen Grund. Für große, filialisierte und mehrstufige Handelsorganisationen war das System überhaupt nicht gedacht. Vielmehr war Marco Börries angetreten, die Stand-alone Kasse von Bäckern, Kiosken und Kleinstbetrieben des Handels und des Handwerks auf mobile Geräte zu bringen. Das Clevere an seiner Idee war der modulare Aufbau der Entwicklung: Ein standardisiertes Kassensystem mit dem Namen EnforeDasher und das Payment-Terminal EnforePaypad sollten allen Branchen dienen – eine Business-Logik unter dem Namen EnforePOS branchenspezifisch angepasst werden.

Ob der Mega-Vertrag mit der Deutschen Telekom, den Marco Börries 2017 öffentlichkeitswirksam auf der IFA in Berlin schloss, seinen Plänen gut getan hat – darüber können sich jetzt die Hausjuristen streiten. Betreiber von Restaurants und kleinen Geschäften sollten die Lösung ebenso wie Friseure unter dem Namen ‚MagentaBusiness POS‘ über den Telekom-Vertrieb beziehen. So wollte Marko Börries gleich 200 Millionen kleine Unternehmen für die Lösung gewinnen, wie er 2017 nicht gerade bescheiden erklärte. 

Direkter Draht zu Torsten Toeller

Die Entscheidung für Enfore, berichten Insider dem Retail Optimiser, sei Anfang 2020 unmittelbar auf Fressnapf-Gründer Torsten Toeller in seiner Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrates des größten Tierbedarf-Handels-Unternehmens Europas zurückgegangen. In einer Ausschreibung für eine neue Kassenlösung des Unternehmens hatten 2019 fünf etablierte POS Software-Anbieter teilgenommen – Enfore war jedoch nicht dabei.

Zur Überraschung der fünf üblichen Verdächtigen waren sie dann Anfang 2020 alle aus dem Rennen. Marco Börries hatte Torsten Toeller offenbar von seinen Plänen jenseits des Auswahlprozesses für die neue Kassenlösung überzeugt. Im Herbst 2020 holte Torsten Toeller Enfore-Gründer Marco Börries dann in den Verwaltungsrat der Fressnapf Holding SE.

Keine Probleme für laufenden Betrieb der Stores

Der Verlust von nahezu vier Jahren Entwicklungszeit und entsprechenden Kosten dürfte Fressnapf schmerzen.  Der Schaden fürs Tagesgeschäft der Tierbedarfs-Experten durch die Enfore-Pleite dürfte jedoch überschaubar ausfallen. Enfore wird bisher nur in wenigen Test-Vertriebsstätten eingesetzt – der Rest der rund 1700 Stores in Deutschland und elf weiteren Ländern arbeitet unverändert stabil mit einer älteren Version der Kassensoftware von GK.

Da Fressnapf aber unverändert große Pläne hat, seine Lösungen zum einen in die Cloud zu bringen und zum anderen im Sinne des Omnichannel-Gedanken mit allen Vertriebskanälen zu verweben, begibt sich der führende Tierbedarfs-Retailer Europas nach Auskunft von Insidern derzeit in einen neuen Auswahlprozess für seine Kassenlösung der Zukunft. Was dabei nicht fehlen darf, ist die Möglichkeit, den bargeldlosen Kassiervorgang auch auf dem Tablet integriert in den Prozess der persönlichen Beratung an jedem beliebigen Ort im Store abzuwickeln.  

 
 

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Björn Weber

Björn Weber ist seit über 20 Jahren als Journalist, Analyst und Berater auf den Einzelhandel und die Konsumgüterindustrie spezialisiert. Bevor er die Agentur Fourspot gründete, bei der The Retail Optimiser erscheint, leitete er die internationale Analysten-Gruppe LZ Retailytics. Zuvor war er Research Director Retail Technology und Deutschlandchef von Planet Retail. Björn Weber war davor acht Jahre lang Redakteur für IT & Logistik-Themen der Lebensmittel Zeitung. Björn Weber ist Mitglied der Jury des Retail Technology Awards (Reta Europe) des EHIs. Er ist regelmäßiger Sprecher auf Veranstaltungen des EHIs, der NRF, der Branchenmedien sowie des Consumer Goods Forums.

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